Mittwoch, 4. Juni 8, Tag -5

Mit einwöchiger Verspätung sind heute endlich unsere Äthiopien-Visa eingelangt. Die Botschaft in Wien hatte uns versprochen, unsere Pässe spätestens am Folgetag nach Einlangen zurückzuschicken. Nun bleibt keine Zeit mehr, die Kenia-Visa per Post zu besorgen. Ich muss extra nach Wien fahren.

Donnerstag, 5. Juni 8, Tag -4

Heute in Wien innerhalb von 10 Minuten die Visa für Kenia erhalten . Dafür dann am Abend Ärger mit der Rückflug-Buchung: Der im Internet bei Qatar-Airlines gebuchte Flug muss im Airline-Büro in Wien bezahlt werden, ansonsten wird ein Aufschlag von 40 Euro pro Person verrechnet . Im Internet- und Kreditkartenzeitalter einfach unglaublich! Wir buchen im lokalen Reisebüro, das ist immerhin "nur" um 20 Euro p.P teurer.

Montag, 9. Juni 8, Tag 0

Es wird spannend morgen beim Einchecken am Flughafen: Unser Gepäck ist um 13 Kilo zu schwer! Das Ist kein Wunder, immerhin befinden sich in unseren Reisetaschen auch etliche Autoersatzteile, die in Äthiopien nicht zu bekommen waren, darunter zwei OME-Stoßdämpfer. 

Dienstag, 10. Juni 8, Tag 1, München - Kairo

Pünktlich werden wir von Jürgen und Martin abgeholt und zum Flughafen München gebracht. Beim Check-in-Schalter stelle ich zuerst die leichteste unserer drei Taschen auf die Wage: 13 Kilo, dann die mittlere: 14 Kilo. Als ich zuletzt die Tasche mit den Stoßdämpfern, anderen Autoersatzteilen und etlichem Proviant drin aufs Band stelle, zeigt die Waage 26 Kilo. Die Dame am Schalter ist gut aufgelegt und kommentiert unser Übergewicht mit "das hätte man der Tasche gar nicht angesehen". Ich bedanke mich mit einem erleichterten Lächeln von einem Ohr zum anderen . Schlagartig sind wir sehr entspannt. Da wir noch reichlich Zeit haben, setzen wir uns bis zum Abflug mit Martin und Jürgen ins Hofbräu.

Als wir in Kairo landen ist es bereits dunkel. Im Freien hat es 31 Grad, doch im Flughafengebäude ist es so kalt, dass wir froh sind, unsere warmen Jacken mitzuhaben. Nach gut zwei Stunden Aufenthalt haben wir unseren Anschlussflug, mit dem wir ...

1 Birr = 0,08 Euro

Mittwoch, 11. Juni 8, Tag 2, Addis Abeba

... gegen 3 Uhr morgens Addis Abeba erreichen. Wir sitzen bis um kurz vor 6 in einem Flughafencafe, weil wir nicht im Dunkeln in die Stadt wollen. Kaum ist die Dämmerung angebrochen, nehmen wir ein Taxi - heftiges Feilschen um den Fahrpreis ist nötig - zum Abstellplatz unseres Toyotas. Unterwegs erleben wir einen Reifenplatzer, kein Wunder denke ich mir, als ich den bis auf die Karkasse abgefahrenen Reifen sehe. Als am Ziel angekommen der Taxifahrer 100 anstatt der vereinbarten 80 Birr fordert, weil die Strecke weiter war als er angenommen hatte, will ich ihm nur 60 geben wegen des Zeitverlustes durch den Radwechsel und schon ist er wieder mit den 80 zufrieden. Nun kommt der spannende Moment: Wird unser Buschtaxi noch an seinem Abstellplatz stehen? Hurra, es ist noch da und nach einer ersten Untersuchung bis auf einen Sprung im Außenspiegel unversehrt. Wir laden unser Gepäck ein und wollen fahren. Dass nach fünf Monaten Stehzeit die Batterien leer sind, wundert uns nicht, aber nach Starthilfe von der dritten Batterie, die über die Solaranlage geladen wird, springt der Wagen sofort an. Den Abstellplatz können wir übrigens empfehlen: am Stadtrand gelegen, bewacht, Auto unter improvisiertem Dach, allerdings nicht ganz billig: 50 EUR/Mo, Mr. Atnafu Bizuneh hadar.tours@ethionet.et 00251-1-513375, 00251-9-210228, Büro N9 00.999 E38 45.180. Wir fahren gleich ins Stadtzentrum, schließen eine Autoversicherung ab (2 Wochen 179 ETB = 14,30 EUR) und kaufen zwei Reifen. Wie wir schon im Jänner gesehen haben, gibt es keine 255/85er und so entscheiden wir uns für zwei 235/85er. Die sehen ein wenig komisch aus auf den breiten Felgen und haben auch kein ausgesprochenes Geländeprofil, sind aber das beste, was an schlauchlosen Reifen zu kriegen ist. Der Reifenhändler montiert nicht, sondern verkauft nur, aber "zufällig" ist gegenüber ein Reifenmonteur, der mit zwei Montiereisen und einem schweren Hammer im Nu die Reifen wechselt. Wuchten gibt es natürlich nicht. Nun kaufen wir noch eine Kartusche Silikon zum Fenster Abdichten, weiters eine Schaufel und eine Säge. Das dauert eine Weile, weil es zwar unzählige Werkzeugläden gibt, aber nicht jeder alles hat. Eine vernünftige Axt ist nicht aufzutreiben. Die Suche wird durch einen heftigen Wolkenbruch, bei dem sogar Hagel fällt, unterbrochen. Wir haben schon zu Hause den Wetterbericht verfolgt und gesehen, dass die Regenzeit heuer unüblich lange dauert. Wir kaufen noch Milch (1 Liter 22 Birr, 1,76 EUR), Margarine (500 g 25 Birr, 2 EUR) und Gemüse (im Vergleich dazu spottbillig). Nun fahren wir ins Bel-Air - Hotel, in dessen Hof wir wieder campieren wollen. Doch hier hat sich vieles geändert: Das Hotel hat einen neuen Manager, die Zimmer sind neu renoviert worden (sagt der Manager) und Campieren im Hof ist nicht mehr möglich. Glücklicher Weise habe ich auf meiner "schlauen Liste" die Namen und Koordinaten von zwei Hotels, wo man angeblich campieren kann. Die Einfahrt zum Itegue-Taitu - Hotel ist nur schwer zu finden, bietet dann aber reichlich Platz und obwohl es mitten im Stadtzentrum gelegen ist, ist es nicht allzu laut. Wir nützen den Nachmittag, die mitgebrachten Dinge zu verstauen und Ordnung im Auto zu schaffen. Beginne den Urlaub mit einem Brechdurchfall, denke ich mir und so gehen wir ins nette Hotelrestaurant essen. Susi isst einen Mixed-Grill, ich eine Injera, dazu trinken wir äthiopisches Bier. Wir haben aber keine Lust, lange sitzen zu bleiben, denn wir sind totmüde, haben wir doch in der letzten Nacht nur 1½ Stunden im Flugzeug geschlafen. Km 28/28/11.195 (heute/diese Reise/von zu Hause).

Donnerstag, 12. Juni 8, Tag 3, Shoa

Um halb drei werde ich munter, geplagt von heftigen Kopfschmerzen und einer ebensolchen Übelkeit. Irgendwie schlafe ich doch wieder ein, doch um kurz nach sechs muss ich raus. Die Injera kann sich gar nicht recht entscheiden, wo sie als erstes raus will. Erst als ich mein gesamtes Gastrointestinum geleert und mit einer Elefantendosis Novalgin aufgefüllt habe, geht es besser. Leider lässt sich unser Auto heute wieder nicht starten. Ein Blick in die Batteriekammern sagt auch warum. An einer Tankstelle füllen wir später über drei Liter Wasser in beide Batterien. Nach einem Capuccino und einem Stück Kuchen im Kaffeehaus (je 4 Birr, 0,32 EUR) verlassen wir die Stadt auf einer vielbefahrenen Ausfallstraße nach Süden in die Region Shoa. Es bietet sich das gleiche Bild, das wir von der letzten Reise in Erinnerung haben: Überall sind Menschen unterwegs, dazu jede Menge Tiere auf der Straße. Am Koka-See, halten wir kurz, um riesige Vögel zu bestaunen. Auf der Weiterfahrt übermannt uns eine erschöpfungsähnliche Müdigkeit, die wir mit einem eiskalten Cola (aus dem Koka-See?) und einem eher nach Kakao schmeckenden Kaffee erfolgreich bekämpfen. Von Einheimischen hören wir, dass es hier schon häufig Malaria gibt (wir befinden uns auf ca. 1600 Metern Seehöhe). Wir fahren nun ans Ufer des Lake Langano, in dem wir uns ein erfrischendes Bad gönnen. Der See weist einen hohen Sodagehalt auf, sodass keine Bilharziose-Gefahr besteht. Es sind auch keine Krokodile zu sehen, kein Wunder, da das Wasser rötlich-braun gefärbt und trüb ist. Zum Campieren verlassen wir das Ufer wieder, kommen aber, bis wir einen brauchbaren Platz gefunden haben, dem Lake Shala sehr nahe. Der Boden ist zum Großteil feucht, darüber hinaus stehen noch viele Pfützen seit dem letzten Regen, doch der befürchtete Mückenangriff bleibt aus. Wir haben echt Glück, sogar nach Einbruck der Dunkelheit ist keine Mücke sicht-, hör- oder spürbar. Einige Kinder und zwei junge Erwachsene beobachten unser Tun aufs genaueste: Campingmöbel aufstellen, Kochen, Essen und Abwaschen. Während die Kinder irgendwann verschwinden, sind die beiden jungen Männer sehr hartnäckige Beobachter. Erst als ich ihnen mitteile, dass sich Susi jetzt waschen will und sie höflich bitte, zu gehen, vertrollen sie sich. Km 217/246/11.412.

Freitag, 13. Juni 8, Tag 4, Abiata-Shala-Nationalpark

In der Früh weckt uns eine Frau, die gleich neben unserem Auto einen toten Baum fällt und zerkleinert. Wir grüßen freundlich, doch sie nimmt kaum Notiz von uns, nicht einmal, als wir frühstücken. Bis zum Haupteingang des Abiata-Shala-Nationalparks (N7 31.700 E38 39.962) ist es nur ein kurzes Stück. Hier soll es Flamingos und Pelikane geben und außerdem heiße Quellen, in denen die Einheimischen Kartoffeln kochen. Gleich beim Parkeingang befindet sich in einem Gehege eine Straußenfamilie. Wir bezahlen 2 x 50 Birr (2 x 4 EUR) Eintritt und 10 (0,8 EUR) fürs Auto, bekommen noch einen Führer angeboten, haben aber keinen Platz im Auto für ihn. Wir fahren also auf gut Glück alleine los und folgen einer Piste, die in Richtung des Nordostufers des Shala-Sees führt, bald jedoch wieder Richtung Asphaltstraße umbiegt. Wir verlassen daher die Piste und fahren querfeldein. Wir sehen verschiedene Antilopen, ein Flughörnchen und viele verschiedene, teils recht bunte Vögel. Bald jedoch stoßen wir auf einen Zaun, hinter dem Kühe weiden. Diesem Zaun folgen wir ein Stück und erreichen ein Gatter (N7 31.720 E38 39.590), durch das eine Piste führt, die vom Parkeingang zu kommen scheint. Wir öffnen das Gatter und fahren nun auf den Shala-See zu. Anscheinend haben wir erst jetzt den eigentlichen Nationalpark erreicht. Doch hier gibt es keine Wildtiere, sondern nur Kühe, gelegentlich ein paar Schafe, Ziegen und Hunde. In verstreut liegenden Hütten leben Menschen, bettelnde Kinder laufen uns nach. Ein junger Bursch bietet sich als Führer an und läuft vor uns her. Bald wollen weitere Jungs Führer sein, doch ich weise immer darauf hin, dass wir schon einen Führer haben. Zwei Burschen sind so hartnäckig, dass sich ein wilder Kampf zwischen ihnen und "unserem" Führer entwickelt. Schon fliegen die Fäuste und liegt einer am Boden. Ich lege den Retourgang ein und fahre ein Stück des Weges zurück, um zu demonstrieren, dass wir unter diesen Umständen keinen Wert auf einen Führer legen. Schließlich scheint Friede einzukehren und alle drei laufen vor uns her. Wir kommen zu den heißen Quellen (N7 28.700 E38 38.072), an denen angeblich 95 Grad heißes Wasser zu Tage tritt. Unzählige abgenagte gekochte Maiskolben zieren die Umgebung und beweisen, dass man in dem Wasser wirklich Gemüse kochen kann. Ansonsten ist das Ufer des Shala-Sees unspektakulär, da er sehr salzhaltig ist, gibt es keine Fische und daher keine Vögel. Wir fahren nun weiter durch eine Savannenlandschaft Richtung Abiata-See. Noch immer laufen die drei Jungs vor uns her und uns wird klar, warum die besten Marathonläufer aus Äthiopien kommen. Während "unser" Führer noch immer ein Tempo vorgibt, das wir mit dem Auto in dem Gelände kaum halten können, werden die anderen beiden müde und geben sich geschlagen. Am Ufer des Abiata-Sees finden wir nun zahlreiche Flamingos, allerdings können wir nicht sehr nahe an sie heran, da das Ufer sumpfig ist. Auf dem Rückweg darf unser Führer auf dem seitlichen Trittbrett mitfahren. Während der Fahrt handeln wir das Honorar für seine Leistungen aus und einigen uns auf 20 Birr (1,60 EUR). Er freut sich sehr, als wir ihm dann doch 30 geben und dazu eine Flasche Wasser. Wir fahren nun weiter nach Shashemene, wo wir die Hauptroute nach Kenia verlassen und erreichen am Abend Sodo. Unterwegs sticht uns ein Getränkeladen ins Auge, hier verkaufen sie Ouzo und Gin. Leider ist der Ouzo aus und wir müssen uns mit Gin zufrieden geben (0,7 Liter 45 Birr = 3,60 EUR). Auch ein paar Flaschen Bier (0,33 l 5 Birr = 0,40 EUR) wechseln den Besitzer. Für die Flaschen wird relativ hoher Einsatz verrechnet, 5 Birr für die Bierflaschen, 20 Birr (1,60 EUR) für die Schnapsflaschen. Daher und weil Plastiksäcke absolute Mangelware sind, gibt es erfreulicherweise sehr wenig Müll im Land. Die Straße, anfangs noch gut asphaltiert, wird zunehmends schlechter, der Verkehr dafür deutlich weniger. Die Route führt uns auf 1800 bis 2200 Metern Seehöhe durch üppig grüne Landschaften, wo unter anderem Mais, Getreide und Bananen gepflanzt werden. Immer wieder hat starker Regen tiefe Gräben gezogen. Und noch immer sind überall Menschen unterwegs, an ein Campieren ist nicht zu denken, so dass wir uns entschließen, in Sodo, einer kleinen Stadt, im Hof eines Hotels zu übernachten (40 Birr, 3,20 EUR). Wiederholt wird hier Austria nicht mehr mit Känguruhs, sondern mit Fußball in Verbindung gebracht; in Addis Abeba hab ich sogar einen Euro2008-Kalender in amharischer Schrift geschenkt bekommen! Das Hotel hat keinen Strom, wir sitzen idyllisch bei Kerzenschein beim Abendessen; auch die Toilette wird mit einer (!) Kerze beleuchtet. Km 198/444/11.610.

Samstag, 14. Juni 8, Tag 5, Arba Minch, Konso

So wie das letzte Stück vor Sodo, sind die gut 100 Kilometer bis Arba Minch eine Aneinanderreihung von Schlaglöchern. Nach zwei Stunden ermüdender Fahrt machen wir eine Pause, die ich nütze, um endlich unsere undichte Seitenscheibe (siehe Gasflaschenexplosion in Assuan) mit Silikon abzudichten. Wir fahren nun den Abaya-See entlang, dessen braunes Wasser den See wie eine langgezogene Sanddüne aussehen lässt. Nach einer weiteren Stunde Fahrt halten wir zur Mittagsrast und hören dabei die Luft aus einem der eben gekauften Reifen entweichen. Der hat ein großes Leck an der Flanke. Leider ist der Untergrund am Straßenrand so weich, dass der Wagenheber im Boden versinkt, und nur mit Hilfe des zweiten Wagenhebers und eines Unterlegbrettes - man führt ja diese Sachen nicht zum Spaß mit - können wir den Wagen hochheben und das Rad wechseln. Ich mache auch gleich die Reparatur; erst am Abend wird sich zeigen, dass der Reifen wieder dicht ist. In Arba Minch, einer größeren Stadt am Isthmus zwischen Abaya- und Chamo-See, machen wir Tanks und Dieselkanister voll, denn wer weiß, ob die letzte Tankstelle in Konso Treibstoff hat. Wir verbringen noch eine dreiviertel Stunde in einem Internetcafe, doch es gelingt uns nicht, Dateien auf die Homepage hochzuladen, und auch nur drei von 37 E-mails lassen sich downloaden. Wir halten uns nicht länger in Arba Minch auf und fahren Richtung Konso. Überraschender Weise sind die 90 Kilometer bis ein paar Furten und ein längeres Stück in der Mitte frisch asphaltiert und wir kommen gut voran. Nur unzählige Viehherden, die von oder zur Tränke gehen, zwingen zum Abbremsen. Die Straße führt durch üppiges Grün, links und rechts finden sich Hütten inmitten von Maisfeldern und Bananenplantagen. Am Abend erreichen wir Konso, wo wir im Hof des St. Mary - Hotels (N5 20.384 E37 26.486) campieren, zu Abend essen und einen Führer engagieren (den können wir sehr empfehlen, einfach nach Dasta fragen, er hat einen Führer-Ausweis), der uns in den nächsten Tagen durch das Omo-Gebiet begleiten wird. Wir vereinbaren ein Honorar von 50 EUR pro Tag und um 150 ETB (12 EUR) kauft er Brausepulver als Geschenk für Leute in den Dörfern, die wir besuchen. Km 215/660/11.825.

Sonntag, 15. Juni 8, Tag 6, Mago Nationalpark

Da unsere neuen Reifen sofort außer Facon geraten, wenn man ein wenig Luft ablässt, damit's auf schlechter Piste nicht gar so rumpelt, entschließen wir uns, die Vorder- mit den Hinterrädern zu tauschen, so dass die alten Goodrich das schwerere Heck unseres Autos tragen und die neuen Reifen entlastet werden. Gleich hinter dem Hotel ist eine Reifenwerkstätte, die wir zu diesem Zweck aufsuchen. Die erste Frage des Monteurs lautet: Hast Du einen Wagenheber? und die nächste gilt dem Radmutternschlüssel. Als wir uns dann auch noch über den Preis nicht einig werden, fahren wir ein Stück aus Konso hinaus und machen dann die Räderwechselei selber. Durch eine kleine Unachtsamkeit stelle ich mir dabei das Auto auf den Ellbogen, was ziemlich schmerzhaft ist. Gott sei dank ist nichts gebrochen, das hätte böse ausgehen können. Etwa 20 Kilometer weit ist die Straße Richtung Omo-Gebiet bereits asphaltiert, aber man darf sie noch nicht befahren, muß auf einer Piste nebenher fahren. In Weyto (N5 22.376 E36 59.607) essen wir zu Mittag und den ganzen Nachmittag fahren wir hügelauf und -ab durch grüne Busch- und Baumsavannen. Via Key Afer (N5 31.224 E36 44.023) gelangen wir in den erstaunlich großen Ort Jinka (N5 47.201 E36 33.872), wo wir zum Mago-Nationalpark abbiegen. Am Eingang (N5 47.949 E36 30.612) zum Nationalpark (Eintritt für 48 Stunden 230 Birr = 28,4 EUR) macht eine große Tafel auf Verhaltensregeln aufmerksam, unter anderem ist das Tragen von Maschinengewehren verboten. Kalaschnikows hingegen sind nicht nur erlaubt, sondern scheinen ein Statussymbol zu sein: Schon seit unserer Abfahrt in Konso trägt so gut wie jeder Mann eine bei sich. Unser Führer, der übrigens Dasta heißt, zeigt uns Kaffeesträucher und Papayabäume; Bananensträucher und Gummibäume kennen wir ja schon. Wir probieren mal von dem Bier, das die Einheimischen hier selbst brauen (schmeckt seltsam) und Susi probiert ein Khatblatt (wird hier wie Tschat ausgesprochen), das hier von vielen als Aufputschmittel gekaut wird. Nun fahren wir in eine schier endlose Tiefebene hinab, durchfahren mehrmals seichte Flüsse und bekommen dabei eine Ahnung, was Urwald ist. Viele Dikdiks laufen uns über den Weg, scheue Tiere, die aussehen wie eine Mischung aus Reh und Hase, wir sehen Paviane und Kudus; Elefanten lassen sich nicht blicken, nur reichlich Exkremente weisen auf deren Anwesenheit im Park hin. Am Abend erreichen wir das Camp (N5 40.176 E36 24.977), in dem wir die einzigen Touristen sind. Kaum wird es dunkel, umgibt uns jene unbeschreibliche Urwaldgeräuschkulisse, von der man schon so oft gehört hat. Damit uns auch nichts passiert, bewacht uns ein bewaffneter Scout. Km 187/847/12.012. 

Montag, 16. Juni 8, Tag 7, Mursi Hana

Neidisch sieht uns ein Pavian beim Frühstück zu. Nach zweistündiger Fahrt erreichen wir ein Mursi-Dorf, doch alle Einheimischen sind bei traditionellen Kämpfen in einem nur durch mehrere Stunden Fußmarsch erreichbaren "Nachbar-"Dorf. Nur drei Mursi-Frauen mit riesiger löchriger Unterlippe stehen am Dorfeingang und verkaufen Lippenteller. Wir fahren weiter nach Mursi-Hana, einem erstaunlich großen und modernen Dorf. Was uns besonders phasziniert ist das ungezwungene Nebeneinander von zwei völlig unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, einerseits den Ureinwohnern, Mitgliedern des Body-tribes, traditionell kaum und nur mit Decken, Tüchern oder Fellen bekleidet, mit durch Narben und allerlei traditionellem Schmuck verzierten Körpern, und andererseits den Zugewanderten, etwa Händlern, Lehrern etc., modern, teils sogar modisch gekleidet. Wir machen eine Runde durch das Dorf, tausend Fotomotive tun sich auf, doch wir müssen akzeptieren, dass viele Menschen sich nicht fotografieren lassen wollen. Dennoch ist unsere Ausbeute an Fotos nicht schlecht. Zum Mittagessen gibt es wie schon die letzten Tage in fetter Suppe gekochtes Rindfleisch oder Rindfleisch in scharfer Soße zur Auswahl, beides mit Injera; Brot gibt es schon wieder keines. Wir erhalten Gelegenheit, den fettesten Menschen der Region kennen zu lernen. Er wiegt ca. 130 Kilogramm, hat einen riesigen Bauch mit "Schwangerschaftsstreifen", ernährt sich angeblich nur von Kuhmilch und Rinderblut und - lässt sich nicht fotografieren. Vom entsprechenden Wettbewerb, bei dem er vor kurzem den ersten Preis gewonnen hat, zeugt noch ein Plakat, auf dem mehrere ähnlich adipöse Männer, ja sogar Knaben abgebildet sind. Nach unserem Spaziergang rasten wir eine Weile, trinken ein kaltes Bier aus unserem Kühlschrank und haben Gelegenheit, beim Kaffee Rösten und Stoßen zuzusehen. Wir wollen nun noch ein Nachbardorf besuchen, doch auch hier sind alle Leute ausgeflogen, heißt mit dem Vieh unterwegs. Erst in einem weiteren Dorf sind ein paar Menschen anwesend. Wir dürfen eine Hütte betreten, das heißt, eher bekriechen, denn man kommt durch das kleine Loch nur auf allen Vieren rein. Drinnen sitzt die Frau des Hauses mit einem einjährigen Kind an der Brust, ein weiteres, etwa drei Jahre title, liegt am Boden neben einer Ziege und schläft. Es gibt eine Feuerstelle, ein paar Felle und Krüge sind aufgehängt. Wir übernachten auf einem "Campingplatz" in Mursi-Hana (N6 13.362 E36 07.862). Hier sind nun die Rollen vertauscht: Hier sind wir die Studienobjekte. Am Abend fallen in der Nähe ein paar Schüsse und ein Geschrei von vielen Menschen ist zu hören. Es ist für uns aber nicht erkennbar, ob das Aufruhr ist oder Jubel. Dasta geht nachschauen und kommt mit der Nachricht, dass jemand vom Baum gefallen ist und nun im Sterben liegt. Die Schüsse hatten den Zweck, alle herbeizurufen, um von dem Mann Abschied zu nehmen. Km 100/946/12.112.

Dienstag, 17. Juni 8, Tag 8, Mursi

Wir fahren nochmals zum Mursi-Dorf (N5 53.603 E36 09.239), dessen Einwohner wir gestern nicht angetroffen haben. Heute haben wir mehr Glück, viele Mursi sind anwesend. Besonders beeindruckend sind die Frauen, die in ihren Unterlippen und Ohrläppchen riesige Tonteller tragen. Das ist unbeschreiblich, ich kann nur auf die Fotos verweisen. Obwohl wir für den Nationalpark Eintritt bezahlt haben, sind hier nochmals 100 Birr = 8 EUR Dorfeintritt zu berappen und jedes Foto schlägt mit 1 bis 2 Birr zu Buche. Auf der Fahrt zurück nach Jinka treffen wir nochmals eine Gruppe von Lippenteller tragenden Frauen. Wir essen sehr gut im Jinka Resort (N5 46.788 E36 33.916), tanken Wasser und nochmals Diesel. Leider verliert unser reparierter Reifen schon wieder Luft, ich werde am Abend einen neuen Reparaturversuch unternehmen. Während bis Key Afer die Piste recht gut ist, sind die 80 Kilometer bis Dimeka (N5 10.474 E36 32.971) eine üble Strecke. Wiederholt führen Kinder am Wegrand Kunststücke vor und wollen einen Birr fürs Foto. Wir erreichen Dimeka erst kurz nach Sonnenuntergang. Wegen unserem Führer müssen wir ja in einem Camp übernachten. Dieses ist eine echte Zumutung. Zwar wurde uns versprochen, dass das Stromaggregat um 22 Uhr abgeschaltet wird, doch jetzt um kurz vor elf läuft es trotz einer heftigen Urgenz meinerseits noch immer. Außerdem spielt ein Radio. Sehr laut, denn ansonsten würde man es wegen dem Stromaggregat ja nicht hören. Außerdem ist der Platz verdreckt, das Klo unbeschreiblich und das Bier warm. Km 204/1.150/12.316.

Mittwoch, 18. Juni 8, Tag 9, Turmi

Wir haben schlecht geschlafen, denn das Stromaggregat hat noch bis 23.30 gedröhnt und nur Susi zuliebe habe ich nicht zu drastischen Mitteln (z.B. Saitenschneider) gegriffen. Während wir frühstücken, befülle ich den gestern am Abend reparierten Reifen. Doch schon nach kurzem Gebrauch macht unser Kompressor verdächtige Geräusche und ist im nächsten Moment kaputt. Kobenverreiber lautet meine Verdachtsdiagnose. Dass der reparierte Reifen zudem nicht dicht ist, bessert meine Laune kaum. Ich mache einen erneuten Reparaturversuch. Von einem weiteren Reifen, der "unter Beobachtung" steht, habe ich bisher noch gar nicht geschrieben. Schon bei der Übernahme unseres Autos wurden wir darauf aufmerksam gemacht, dass ein Reifen Luft verliert. In der vergangenen Woche haben wir alle paar Tage ein wenig nachgefüllt. Hier in Dimeka gibt es zwar einen Kompressor, mit dem wir an dem zu beobachtenden Reifen Luft nachfüllen, aber natürlich gibt es keine Handluftpumpe zum Mitnehmen zu kaufen. Wir fahren ab nach Turmi (N4 58.053 E36 29.236) in der Hoffnung, hier eine Handpumpe kaufen zu können. Doch leider gibt's nur eine für Fahrräder. Eine anständige Autoreifenhandluftpumpe gibts nur leihweise und mit ihr pumpen ein paar Burschen den reparierten Reifen auf und vorerst ist er dicht. Da nun ein schwieriges Stück unserer Reise vor uns liegt, nämlich ab Omorate 500-700 Kilometer durch einsames Gebiet, müssen wir unbedingt eine Luftpumpe auftreiben. Wir haben uns schon beinahe entschieden, nach Konso zurückzufahren - 200 Kilometer einfache Strecke -, da bietet Dasta uns an, mit einem LKW dorthin mitzufahren, eine Pumpe zu kaufen und bis morgen wieder zurück zu sein. Wir nehmen das Angebot an und machen uns einen ruhigen Tag in einem ebensolchen Camp (N4 58.150 E36 29.778, sehr sauber und ordentlich). Wir nützen die Zeit, um die ausgeschlagenen vorderen Stabilisatorbuchsen zu tauschen, montieren die mitgebrachte Halterung für die Außenbrause und haben noch reichlich Zeit zum Lesen (Dank Sabinen ist Goethe unser Begleiter) und entspannen. War es bisher immer angenehm warm (nicht über 35 Grad), so ist heute der erste echt heiße Tag, außerdem belästigen uns am Abend erstmals reichlich Mücken. Km 29/1.179/12.345.

Donnerstag, 19. Juni 8, Tag 10, Turmi

Heute ist Wochenmarkt in Turmi, eine unerwartet kleine Veranstaltung. Die Bewohner der umliegenden Dörfer verkaufen Holz, Getreide, Tee und Leder. Fahrende Händler, die moderne Waren anbieten, gibt es nicht.
Ich nehme den Kompressor auseinander, sehe, dass das Pleuel gebrochen ist, und unternehme einen Reparaturversuch, auch wenn das Ergebnis nicht von Dauer sein kann. Die Reparatur ist im Prinzip auch erfolgreich, vielleicht hält's so lange, dass man einen Reifen aufpumpen kann, doch der Kompressor baut keinen Druck auf, anscheinend sind zusätzlich die Kolbenringe undicht. Das Gerät taugt nur mehr für den Kompressor-Weitwurf. Bis zum späten Abend ist Dasta nicht wieder aufgetaucht. Sollte er bis morgen Früh auch nicht hier sein, werden wir nach Konso zurückfahren und einen Kompressor kaufen. Km 0/1.179/12.345.

Freitag, 20. Juni 8, Tag 11, Omorate

Jubel, Freude, Heiterkeit! Kaum steige ich aus dem Auto, kommt Dasta mit einer Luftpumpe daher. Wir probieren sie auch gleich aus. Sie ist leicht gängig und scheint zu funktionieren, doch im nächsten Moment bricht das Adapterstück auseinander, das man für Autoreifenventile verwenden muss. Mist, alles umsonst. Dasta hat übrigens in Konso keine Luftpumpe auftreiben können und ist nach Arba Minch zurückgefahren! Dann hat er lange keinen Wagen finden können, der ihn nach Turmi zurückbringt und so ist er erst mitten in der Nacht hier angekommen. Bei genauerer Begutachtung handelt es sich um ein eher filigranes Stück made in China, für das wir 450 Birr, 36 Euro hinblättern müssen. Aber umsonst, das Ding ist schon beim ersten Gebrauch kaputt gegangen. Ich sehe keine Chance, ohne leichtsinnig zu sein, am Turkana-See entlang nach Kenia zu fahren. Halt, eine Möglichkeit gibt es nocht: Vielleicht passt der Adapter einer der billigen Fahrradpumpen, die wir vorgestern hier in einem Laden gesehen haben, auf unsere neue Pumpe. Dasta läuft schon los, kommt aber statt mit einer billigen Fahrradpumpe mit einer zweiten Pumpe, wie er sie aus Arba Minch gebracht hat, zurück. Jemand hat gehört, dass wir eine Pumpe suchen und hat die von irgendwo hergebracht. Wir nehmen sie, sie kostet nur deshalb ebenfalls 450 Birr, weil Dasta verspricht, sofort eine neue nach Turmi herzusenden. Susi und ich analysieren kurz die Situation: Wir haben ca. 500 Kilometer vor uns, die über Pisten, vielleicht auch querfeldein führen, ein größerer Teil davon über sehr beanspruchendes Lavagestein. Die Strecke führt großteils durch menschenleeres Gebiet; mit Verkehr auf der Strecke ist nicht zu rechnen. Wir haben einen geflickten Reifen, wobei unklar ist, wie lange die Reparatur halten wird, da das Loch an der Flanke gelegen und sehr groß war. Aus einem weiteren Reifen entweichen ca. 0,1 bar pro Tag. Wir haben ein Ersatzrad und ausreichend Reifenreparaturmaterial, jedoch keinen elektrischen Kompressor, dafür zwei Handpumpen, eine jedoch mit defektem Adapter für unsere Ventile. Als Alternative käme nur in Frage, zurück nach Konso und dann auf abwechslungsloser Straße über Moyale und Marsabit nach Nairobi zu fahren, eine Strecke, die wegen wiederholter Raubüberfälle in Verruf geraten ist. Wir entscheiden uns einstimmig dafür, die Fahrt an den Turkanasee zu wagen. Wir bedenken Dasta mit einem großzügigen Trinkgeld für seine Bemühungen. Der Abschied ist herzlich, hat er etwa Tränen in den Augen? Zunächst geht es weiter nach Westen nach Omorate, wo wir die Grenzformalitäten erledigen müssen (Immigration Office N4 48.332 E36 03.052). Es gibt noch kurze Komplikationen, weil auf dem Zollpapier für unser Auto, das im Jänner bei der Einreise ausgestellt wurde, als Ausreiseort Moyale vermerkt ist. Ich erzähle dem Beamten jedoch eine mitleiderregende Geschichte, worauf er "Moyale" durchstreicht, "Omorate" hinschreibt und uns in Frieden ziehen lässt. Das Carnet stempelt er allerdings nicht ab. Omorate, oder Kelem, wie es auch genannt wird, ist trotz seiner angeblich 8.000 Einwohner ein erbärmliches Kaff. Das einzig Interessante ist der Blick auf den Omo, den Männer mit Einbäumen queren. Wir kaufen noch, da es kein Brot gibt, frittiertes mit Linsen gefülltes Gebäck und ergänzen mit den letzten Birr unseren Biervorrat. Nun müssen wir ca. 20 Kilometer zurückfahren und dann nach Süden abbiegen (N4 44.902 E36 10.449). Im Gegensatz zu der Wellblechpiste Turmi-Omorate ist jetzt auf sandigem Untergrund angenehm fahren. Kim und Tanja, die voriges Jahr im April hier gefahren sind, berichteten von 28 Flussdurchfahrten bis zur Grenze. Nun ist es schon so trocken, dass kein einziger Bach Wasser führt. Daher erreichen wir schnell die Grenze (N4 27.373 E36 13.817), wo unfreundliche äthiopische Beamte unsere Pässe sehen wollen und unsere Daten festhalten.

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