1 Birr = 0,08 Euro

Schlagartig ist alles anders. Plötzlich sind Unmengen von Menschen zu Fuß unterwegs. Hier herrscht ein geschäftiges Treiben auf der Straße und in den Läden daneben. Viele Frauen tragen keine Kopftücher, manche Menschen haben ein Kreuz an einer Kette oder Schnur um den Hals. Manche Männer haben Shorts an, sodass ich mir in meiner nicht mehr komisch vorkomme. Die Grenzprozedur geht hier besonders schnell, in einer Viertelstunde ist das meiste erledigt, die Zollformalitäten fürs Auto müssen in einem Dorf 35 Kilometer nach der Grenze abgewickelt werden. Auch das geht recht flott. Der Beamte stempelt den 22. April 2000 ins Carnet, in Äthiopien gilt der julianische Kalender. Weder auf der sudanesischen noch an der äthiopischen Seite der Grenze müssen wir irgendwelche Gebühren bezahlen. Wir wechseln unsere restlichen sudanesischen Pfund in Birr. Zuerst wird uns ein Tausch 1:2 angeboten. Wir haben uns aber zuvor über den Wechselkurs informiert und so lache ich den Geldwechsler aus. Promt bietet er 1:3. Da zücke ich den Taschenrechner und antworte, dass ich nicht tauschen möchte. Nun bieter er 1:3,5 und schließlich tauschen wir zu 1:3,7. Da auch mehrere Kilometer nach der Grenze kein Asphalt kommt, lassen wir ordentlich Luft aus den Reifen, um unser Auto nicht allzusehr zu quälen. Mit schnell Fahren ist's vorbei, wir schaffen nur mehr 100 Kilometer bis knapp vor Sonnenuntergang. Auch die Suche nach einem Nachtplatz gestaltet sich als sehr schwierig. Denn erstens sind überall Leute unterwegs. Sie tragen Holz nach Hause, treiben Rinder- oder Ziegenherden vor sich her, oder sitzen einfach am Straßenrand und atmen Staub, von dem jedes Auto mächtig aufwirbelt. Manche sind mit Fahrrädern unterwegs, hin und wieder einer mit einem Eselkarren. Viele haben eine Kalaschnikow umgehängt, vielleicht braucht man das, wenn man einen Krieg miterlebt hat. Zweitens hat sich auch das Gelände total verändert: War es bis kurz vor der Grenze noch flach wie in der Puszta, so ist es nun gebirgig und die Straße windet sich stetig hinauf. Als wir dann endlich ein nettes Platzerl gefunden haben, sind wir schon auf 1.400 Metern Seehöhe. Von hier sehen wir über ein Tal mit verstreuten Rundhütten, die unter den reichlichen Bäumen kaum auszunehmen sind. Als es dunkel wird, sieht man mal hier, mal da ein Feuer brennen, dann und wann ein Auto vorbeifahren. Ansonsten ist es stockdunkel. Aber Geräusche gibt es! Neben typischen Dorfgeräuschen aus der Ferne, Kindergeschrei, Arbeiten, ein Hahn, daneben noch eine Geräuschkulisse, die daran erinnert, dass der Urwald nicht mehr weit ist. Es ist am Abend auch deutlich kühler als die letzten Tage. Km 441/9.810.

Mittwoch, 2. Jänner 8, Tag 41, Gonder

In Azezo hat die Rüttlerei ein Ende, wir kommen auf die Asphaltstraße. Da wir an der Grenze keine Haftpflichtversicherung abschließen konnten, möchten wir dies in Gonder nachholen und fahren die 20 Kilometer dort hin. Auf der Plaza warten schon viele junge Burschen auf Leute wie uns. Sie zeigen uns ein Versicherungsbüro. Da es die Comesa-Card, die unter anderem auch in Kenia gültig ist, nicht gibt, schließe ich die Versicherung nur für fünf Tage ab (77 Birr = 7 Euro). Da es gerade keinen Strom gibt und daher der Kopierer nicht funktioniert, muss ich in einer Stunde nochmals kommen. In der Zwischenzeit sehen wir uns die Kirche aus dem 13. Jahrhundert mit schönen Deckenfresken an. Kultur macht hungrig und so gehen wir in ein Restaurant, wo wir zwei verschiedene Injeras essen. Das sind riesiege weiche Fladen von der Konsistenz eines Schwammes, auf die Häufchen von Fleisch, Kartoffeln und verschiedenen Gemüsebreis liegen. Man reißt vom Fladen Stücke ab, mit denen man von den Häufchen nimmt und beides gemeinsam isst. Das schmeckt uns ausgezeichnet. Nun geht's auf Asphalt Richtung Tana-See, von wo wir nach Osten abbiegen wollen. Durch einen Fehler in der Karte fahren wir gut 35 Kilometer zu weit und müssen wieder zurückfahren. Hin und wieder passieren wir rostige Kriegsrelikte. Nun zweigen wir Richtung Lalibela ab. Leider ist das wieder eine absolut üble Piste. Auch wenn durchwegs an der Straße gearbeitet wird, erschwert das meist die Fahrt. Mehr als 30 km/h im Schnitt sind nicht möglich. Und bis Lalibela und dann bis Weldiya sind es 500 Kilometer! Es geht fast stetig bergauf. Auf 2.500 Metern Seehöhe durchfahren wir eine große Hochebene, bis es weiter ansteigt. Mehrmals werfen Kinder mit Steinen nach unserem Auto, treffen aber nicht. Die überwiegende Zahl der Menschen, die wir passieren, ist hingegen sehr freundlich, die meisten winken. Einen Nachtplatz zu finden, ist total schwierig, denn es ist kaum möglich, die Straße zu verlassen, links und rechts sind tiefe Gräben, dann geht's wieder durch ein Dorf und überall gehen Leute. Kurz vor Sonnenuntergang muss es dann halt sein. Wir fahren runter von der Straße und quälen unseren Toyo durch Rinnen und über Steine, teils steil bergab, bis zu einem kleinen ebenen Platzerl inmitten von Feldern, ca. 600 Meter weg von der Straße. Natürlich sind uns schon viele Kinder und einige Erwachsene gefolgt. Die umringen uns und sehen uns zu, was wir machen. Einer kann ganz gut Englisch und wir erklären ihm, dass wir hier übernachten. Bewusst kochen wir ein sehr einfaches Abendessen. Wir werden gefragt, ob es eh für alle reicht, was wir sehr bedauernd verneinen müssen. Der englisch Sprechende ist ein Student und bettelt uns um Schuhe, Kleidung und Geld an. Ohne etwas zu versprechen, vertrösten wir ihn auf morgen. Nach dem Abwasch schicken wir die Leute heim, aber sie bleiben stehen. So räumen wir unsere Campingmöbel ein, drehen die Außenbeleuchtung ab, wünschen eine gute Nacht und steigen ins Auto. Nach einer Weile sind doch alle weg, stehen aber bestimmt morgen in aller Frühe wieder da. So hart das klingen mag, wir haben nicht vor, irgendetwas zu geben, denn wenn wir einem etwas geben, wollen alle was und wir können nicht ein ganzes Dorf sattfüttern. Wir befinden uns auf 3.060 Meter und es ist ziemlich kühl. Nach dem Aussteigen war mir plötzlich schwindlig, überhaupt fühle ich mich auf einmal verlangsamt und nun habe ich auch etwas Kopfschmerzen. Ich glaube, wir waren noch nich in so großer Höhe, und der Aufstieg ging doch ziemlich rasch innerhalb von nur wenigen Stunden. Beim Fahren hatte ich gar nichts gemerkt. Km 356/10.166.

Donnerstag, 3. Jänner 8, Tag 42, Lalibela

In der Nacht hab ich mir einen Nerv an der Halswirbelsäule eingeklemmt, tut ziemlich weh. Draußen hat es 9 Grad und es weht starker Wind, echt ungemütlich. Zwei frierende Kinder stehen auch vor dem Auto und warten. Wir müssen sie leider enttäuschen, es gibt keine Vorstellung, denn es ist zu ungemütlich zum Frühstücken. Die Piste, auf Wegweisern übrigens "Highway" genannt, wird immer schlechter. Nach eineinhalb Stunden haben wir nur 25 Kilometer geschafft. Auch wenn wir mächtig Druck aus den Reifen gelassen haben, sind die recht fest, weil in der großen Höhe der Gegendruck niedrig ist. Wir wollen aber nicht weiter ablassen, weil wir auf dem Weg nach Lalibela ja wieder 1.000 Meter runter müssen und dann wieder 600 rauf und auf dem Rückweg umgekehrt. Nun kommen wieder Baustellen, abschnittsweise ist ein wenig besser fahren. Nach vier Stunden haben wir 110 Kilometer bis zum Abzweig nach Lalibela geschafft. Warum tun wir uns das eigentlich an, wird sich mancher fragen. Nun, die Felsenkirchen in Lalibela müssen ja obersupertoll sein und allein die Landschaft lohnt all die Mühen. Das kann man schwer beschreiben, wir fahren auf über 3.000 Metern Höhe auf einem Hochplateau und dann tun sich neben einem Täler auf, die nach unten gar kein Ende zu haben scheinen. Dann gibt es Ausblicke auf schier endloses Land. Wir staunen immer wieder. Vom Abzweig bis Lalibela ist die Piste sehr viel besser, das letzte Stück ist sogar asphaltiert. Auf dem Weg befinden sich tausende Menschen, die zum Großteil per pedes, aber auch mit Bussen, zum Weihnachtsfest nach Lalibela pilgern, das nach dem julianischen Kalender am 7. Jänner gefeiert wird. Wir wechseln Geld auf der Bank (1 EUR = 13,67 EB) und schauen kurz in ein Internetcafe. Die Nachrichten aus Kenia beunruhigen uns nun doch ein wenig. Die Unruhen nach den Wahlen haben nun schon etliche Tote gefordert und das Außenministerium rät, sich im Land nicht zu bewegen. Wir haben ja noch ein wenig Zeit mit der Entscheidung, ob wir das Auto in Addis Abeba lassen oder nach Nairobi weiterfahren. Obwohl wir einen sehr guten Reiseführer mithaben, engagieren wir zur Besichtigung der Felsenkirchen einen Führer (200 Birr = 15 EUR). Das stellt sich gerade jetzt zur Zeit des großen Andrangs als gute Idee heraus. Die monolithischen Kirchen wurden nicht von unten nach oben gebaut, sondern von oben nach unten. Man geht durch Gräben, Gänge oder Treppen hinunter und steht dann vor einer Kirche, die praktisch in einer Grube steht und deren Decke auf gleichem Niveau wie das umgebende Gelände ist. Die Kirche besteht aus dem gleichen Fels wie die Umgebung. Man hat sozusagen alles, was nicht Kirche ist, entfernt, sodass nur die Kirche übrig blieb. Die Kirchen sind dunkel und eher schmucklos, manche haben verblasste Fresken oder Reliefs. Überall sitzen Menschen auf Teppichen auf dem Boden, singen monotone Lieder oder beten. Obwohl christlich, wirkt alles sehr fremd auf uns. Über die zwei größten Kirchen wurden zum Schutz vor Witterungseinflüssen hässliche Dächer darübergebaut. Das muss ziemlich Geld kosten, denn im November 2007 hat man das Eintrittsgeld für die Kirchen von 100 Birr (7,40 EUR) auf stolze 200 (!) (14,80) erhöht. Einheimische zahlen übrigens nichts. Wieder spüren wir den Sauerstoffmangel, denn wir sind besonders rasch müde. Wir fahren bis fast zum Abzweigpunkt zurück und übernachten direkt an der Staße, weil wir sonst keinen Nachtplatz finden. Drei Männer schauen uns zu, wie wir kochen, essen, lesen. Nach eineinhalb Stunden wird es ihnen doch zu fad und sie vertrollen sich. Km 235/10.401.

Freitag, 4. Jänner 8, Tag 43, Entscheidung

Wieder ist es zu ungemütlich zum Frühstück draußen, wir nehmen daher das Frühstück im Speisewagen auf der Fahrt nach Weldiya ein. Der Highway selbst bietet keine Überraschungen, ist so schlecht wie bisher. Aber die Landschaft! Zunächst geht es auf ein Hochplateau, der höchste Punkt der Strecke liegt auf 3.545 Meter. Heute bringt mich selbst das Sprechen in Atemnot. Das ist besonders unangenehm, weil ich mir gestern beim Abstieg in eine der Kirchen in Lalibela neuerlich einen Nerv am Rücken eingeklemmt habe, der mit jedem Atemzug schmerzt. Aber zurück zur Landschaft: Von der Hochebene geht es auf einer abenteuerlichen Straße ca. 1.500 Höhenmeter hinunter nach Weldiya, wobei sich großartige Panoramen auftun. Erste Bäche laufen neben der Straße, die Gärten werden grüner, wir kriegen Karotten zu kaufen, weiter unten wachsen Bananenbäume. Und überall Leute. Wirklich überall. Auf der ganzen Gebirgsstraße Leute, die einen gehen rauf, die anderen runter. Keiner steht still, alle gehen, meist eiligen Schrittes. Noch immer kommen uns Autobusse mit Pilgern entgegen. An einem Wasserfall direkt neben der Straße hält ein Bus und die Reisenden duschen im kalten Gebirgswasser. In einem Dorf haben wir über eine halbe Stunde Aufenthalt, weil ein Autobus mit einem Lastwagen zusammengestoßen ist. Es gibt nur minimalen Sachschaden, aber die Schuldfrage muss geklärt werden und solange diskutiert wird, bleiben die Fahrzeuge auf der Straße und keiner kann vorbei. Erst die Polizei bringt den Verkehr wieder in Fluss. In Weldiya kafen wir Obst und versuchen, einen Dosenöffner zu erstehen, weil unserer kaputtgegangen ist. Doch auch hier gibt es sowas nicht. Wie die Leute wohl hier die Dosen öffnen? Falls vielleicht einer denkt, es gibt vielleicht hier keine Konservendosen, so sei festgehalten, dass dem nicht so ist. An einer Tankstelle lassen wir unser Auto waschen und schmieren. Das Wasser verwandelt den Staub in eine braune Soße, die überall herunterläuft und kein Ende zu nehmen scheint. Ich muss höllisch aufpassen, dass der Mensch, der das Auto wäscht, keinen Unfug macht. Einmal schau ich kurz weg, steht er schon auf der Motorhaube, um auf das Dach zu spritzen. Dann muss ich ihn mehrmals erinnern, dass das eine Seitenfenster nicht dicht ist. Obwohl es hier tausende Landcruiser wie unseren gibt, findet er auch bei weitem nicht alle Schmiernippel. Wir kriegen an der Tankstelle auch klares und geschmackloses Wasser, was uns sehr freut, denn wir mussten schon seit einigen Tagen sehr sparsam mit unserem Wasser umgehen, weil wir die Flüssigkeiten, die uns bisher angeboten wurden, nicht in den Tank füllen wollten. Nebenan ist ein neues und sehr nettes Hotel, in dessen Hof wir zu Mittag essen. 

Wir machen noch einen Sprung ins Internetcafe und hören, dass sich die Situation in Kenia verschlechtert hat. Wir hatten ohnehin nicht damit gerechnet, dass sich die Sicherheitslage innerhalb weniger Tage bessert. So fällt uns die Entscheidung leicht, unser Auto in Addis Abeba einzustellen und von hier heimzufliegen. Es scheint uns momentan auch unwahrscheinlich, dass sich der Konflikt in Kenia innerhalb eines halben Jahres entspannen wird. Somit ist eine Weiterreise nach Namibia wohl sehr unwahrscheinlich. Vielleicht via Djibuti in den Jemen, nach Oman und den Iran. Dort könnte man dann überlegen, ob über die Türkei nach Hause oder rechts abbiegen Richtung Indien .... Das hat ja noch viiiiiel Zeit!

Wir fahren noch ein Stück Richtung Addis Abeba. Die Straße ist schlecht wie bisher, bis auf ein paar asphaltierte Stücke. Vor Dese übernachten wir hinter für den Straßenbau aufgeschütteten Erdhaufen. Die acht bis zehn neugierigen Kinder sind bald weg und wir haben einen ruhigen Abend. Km 217/10.618.

Samstag, 5. Jänner 8, Tag 44, Blutzoll

In der Früh messen wir die Rekordtemperatur von 5 Grad! In Dese beginnt nicht, wie von der Landkarte versprochen, der Asphalt, es geht noch ein ordentliches Stück holprig und staubig weiter. Wie schon die letzten Tage, passieren wir mehrmals umgestürzte Lastwagen. In einem Dorf ist die Straße unpassierbar. Warum, wissen wir nicht, aber es stehen jede Menge Lastwagen und Busse wartend da. Für Geländewagen hat man eine Umfahrung "eingerichtet", das heißt, es wurde, damit man überhaupt von der Straße runter kann, eine sehr provisorische Rampe aus Steinen und ein wenig Erde gebaut. Trotzdem kriegt unser Wagen eine Schräglage, dass es zum Fürchten ist. Die Burschen, die die Rampe gebaut haben, vermutlich eine Arbeit von einer Viertelstunde, wollen nun Wegzoll kassieren. Ok, sie haben auch was geleistet, aber die geforderten 100 Birr (7,50 EUR) sind dann doch zu viel. Ich biete 10 Birr, sie beharren auf 100. Gerade als ich sage, dann bleib ich stehen und blockiere den Weg, hupt ein entgegenkommender Geländewagen, der hier auch durchwill, wie wild, und schon sind die 10 Birr akzeptiert und wir sind wieder auf der Straße.  Irgendwann endlich ist es soweit, für ca. 200 Kilometer gibt es makellosen Asphalt, aber die Strecke ist kurvig und wie bisher sind sehr viele Menschen und Tiere unterwegs, Rinder, Esel, Pferde, Kamele, Schafe, Ziegen. Es gibt Tierherden, die in unserer Richtung unterwegs sind, andere bewegen sich in der Gegenrichtung, und natürlich queren immer wieder Herden die Fahrbahn zum oder vom Fluss. Oft werden Tiere nur von Fünfjährigen begleitet, oder gehen alleine auf der Straße. In manchem Ort sind Kamele schlampig geparkt, ragen mit dem Hintern weit auf die Fahrbahn. Auch wenn wir leider Zeuge werden, wie unmittelbar vor uns ein Kalb niedergefahren wird, ist es ein Wunder, dass nicht mehr passiert. Nun geht es nochmals mehr als 1.000 Höhenmeter bergauf, der Ausblick ist atemberaubend. Die Straße ist teilweise recht steil und unser Landcruiser bringt nicht die gewohnte Leistung, raucht schwarz. Es geht durch mehrere kurze Tunnel und dann ist auf 3.250 Meter der Tarmaber-Pass und die Hochebene erreicht. Hier gibt es Affen, die aber recht scheu sind. Kinder verkaufen lustig aussehende Hüte aus Schafwolle. Ich kaufe einen und auch Bohnen für's Abendessen. An mehreren Tankstellen haben sie keine Druckluft, auch sauberes Wasser ist Mangelware, sodass ich unseren Luftfilter nicht reinigen kann und so raucht das Buschtaxi halt weiter. Etwas früher als sonst suchen wir uns einen Nachtplatz. Wir fahren einfach ins Gelände, das geht hier, weil auf der Hochebene die Gräben kleiner sind. Es sieht aus, wie auf einer Almwiese, nur liegen unendlich viele Steine herum, die das Fahren mächtig erschweren. Wir quälen den Wagen ziemlich, bis wir endlich weit genug weg von der Straße sind. Natürlich gibts auch Leute hier, aber die betrachten uns aus ungewohntem Respektabstand und verschwinden dann wieder. Wir sitzen in der Sonne, die hier recht kräftig ist und ich "putze" die Bohnen, schneide Karotten, Kartoffeln, Gurken und Tomaten, die ich zu einer "Vegetable Soup" a la Mahmoud verarbeite. Während das Luxusgericht köchelt, kommen zwei absolut nicht ärmlich gekleidete Typen mit einem Pferd und betteln uns um alles mögliche an. Leider verstehen wir kein Englisch. Vielleicht an dieser Stelle ein paar Worte zur Armut in Äthiopien. Wir werden natürlich täglich vielmals angebettelt, es fragt fast jeder nach Geld, Essen, Kleidung, Schuhen oder Kugelschreiber. Wir geben auch gern eine Kleinigkeit, wenn der Bittsteller alleine ist. Denn wenn viele was wollen und man gibt nur einem was, ist die Hölle los. Es ist auch klar, dass wir hier im Nu all unser Hab und Gut verschenken könnten. Wir wissen auch, dass wir mit jedem Geben das zukünftige Betteln fördern. Wir haben aber, glaub ich, schnell ein Gefühl bekommen, wer wirklich bedürftig ist und wer bettelt, weils bequem ist. Km 326/10.944.

Sonntag, 6. Jänner 8, Tag 45, Addis Abeba

Wir haben es überhaupt nicht eilig, denn am heutigen Sonntag und morgigen äthiopischen Weihnachtsfeiertag lässt sich nicht viel organisieren bezüglich Autoabstellplatz. Wir haben daher heute Ausschlaftag. Dann geht's über die vielen Steine zurück auf die Asphaltstraße und ab Richtung Süden. Nach kurzer Fahrt bemerke ich, dass unser Auto "schwimmt". Leider schon wieder ein Patschen. Da waren die Steine einem Reifen doch zu anstrengend. Rasch ist das Rad gewechselt und auch das Loch lokalisiert. Langsam sollten wir vielleicht zwei neue Reifen kaufen! In Addis Abeba fahren wir zuerst zum Flughafen in der Hoffnung, hier trotz Sonntag vielleicht einen Flug buchen zu können. Leider Irrtum, das geht erst am Dienstag wieder und bei einigen Airlines nur im jeweiligen Stadtbüro. Nun suchen wir uns eine Bleibe für die nächsten Tage und fahren ins Bel Air-Hotel, von dem der Reiseführer schreibt, dass man im Hof campieren könnte. Wir sind auch sehr gespannt, wer von unseren Bekannten hier logiert, denn die haben ja alle das gleiche Problem, dass sie nicht gefahrlos durch Kenia können und hier einen Aufenthalt haben. Doch hier ist keiner. Die Übernachtung im Hof im eigenen Auto kostet 40 Birr (3 Euro) pro Nacht. Wir bezahlen vorerst für zwei Nächte und fahren dann ins Stadtzentrum um ein Internet-Cafe zu suchen. Das ist nicht einfach, erst nach längerem Irren finden wir eines. Aber die Verbindung ist so langsam, dass sich nichts vernünftiges machen lässt. Außerdem tötet der dortige Computer unseren Memory-Stick, sodass wir hier auch nichts hochladen können. Wir suchen uns daher ein Hotel der Oberklasse und benützen hier den Internetzugang. Der ist deutlich schneller. Leider finden wir auch nach längerer Suche keinen brauchbaren Flug. Dank der freundlichen Hilfe von Freunden und Bekannten, sowie Leuten aus dem Sahara-Forum haben wir nun schon eine Liste von Kontakten. Eher zufällig finden wir einen Stadtteil, in dem es nur so wimmelt von Internet-Cafes und Telefon-Studios. Ich klemme mich gleich ans Telefon, höre bei den ersten Versuchen aber nur Besetztzeichen, Nicht-erreichbar-Ansagen und Anrufbeantworter. Dann aber klappt es und wir haben eineinhalb Stunden später einen persönlichen Kontakt und eine weitere Stunde danach einen Einstellplatz! Wir danken alle für ihre Hilfe in dieser Sache! Spät kommen wir ins Hotel zurück, wo wir im Restaurant in gemütlicher Atmosphäre den Erfolg mit ein paar Bieren feiern (1 kleines Bier 3 Birr = 0,22 Euro). Km 119/11.063.

Montag, 7. Jänner 8, Tag 46, nochmals Weihnachten

Richtig gelesen: In Äthiopien wird Weihnachten am 7. Jänner gefeiert. Drum hat alles zu. Sogar das halbwegs schnelle Internet-Cafe. Wir finden nach einiger Suche dann aber doch eines, das offen hat. Da wir nun ja einen Autoeinstellplatz haben, können wir ab morgen fliegen. Mittels der Flugsuchmaschine momondo.com finden wir den billigsten Flug am 9. Jänner spät abends via Bahrain und Dubai nach Wien mit Ethiopian und Emirates Airlines. Leider ist der Flug noch nicht bestätigt, das sollte innerhalb von 24 Stunden erfolgen. Nun stornieren wir noch unseren Flug von Nairobi nach Wien. Am Nachmittag nützen wir die am Feiertag fast leeren Straßen Addis Abebas zu einer Stadtrundfahrt. Wieder zurück im Bel Air flicke ich noch unseren defekten Reifen und mache kleinere Servicearbeiten am Auto. Km 46/11.109.

Dienstag, 8. Jänner 8, Tag 47, Toyota-Werkstatt XXL

Jedesmal wenn wir am Abend zum Bel-Air-Hotel kommen, ist der Hof leer, in der Nacht füllt er sich mit -zig kleinen Taxis der Marke Lada, die hier parken und dann in der Früh wieder abfahren. Macht natürlich Lärm, aber ist kein großes Problem, weil es ohnehin immer laut ist hier. Bis in die Nacht hinein Musik aus dem Hotel und noch vor 5 in der Früh wird die Stadt mit einem choralartigen Gesang beglückt, der bis zu unserer jeweiligen Abfahrt zwischen 8 und 9 noch immer ziemlich nervend zu hören ist. Pausenlos und monoton, aber mehrstimmig, da aus vielen Lautsprechern, vermutlich von Kirchtürmen, kommend. Wir erfahren, dass das eine Erscheinung der Weihnachtsfeiertage ist. Wir fahren heute zur großen Toyota-Werkstatt an der Cirle-Street (N8 59.735 E38 47.715), wo wir unser Auto durchsehen lassen wollen und die paar Problemchen richten lassen wollen. Das ist die größte Autowerkstatt, die ich je gesehen habe. An der Einfahrt wird man schon von uniformierten Portieren begrüßt, die einem den Weg weisen. Die Annahme ist ein Großraumbüro, alles total sauber, alle adrett gekleidet, je nach Funktion mit Anzug und Krawatte oder weißem Mantel und schwarzer Hose. Wär aber nicht Afrika, wenn man nicht dort und da ein wenig warten müsste, zuerst steht man in der Schlange bei der Anmeldung, dann im Ersatzteillager und schließlich wartet man auf die Reparatur. Irgendwann kommt ein Lehrling und nimmt nochmals unsere Anliegen auf, dann ein anderer, der den Zustand des Autos dokumentiert und die Felgen mit der Kennzeichen-Nummer beschriftet. Dann ist eine Stunde Mittagspause. Und schließlich kommen wir dran. Der Meister persönlich fährt den Wagen in die Werkstatt und auf eine Hebebühne. Leute, so eine Werkstatt habt ihr noch nicht gesehen: Hier gibt es schätzungsweise 30 Hebebühnen und weitere 20 Arbeitsplätze in der Halle, die alle besetzt sind und wo überall gearbeitet wird. Die Mechaniker sind total sauber, alles ist ordentlich, da liegt kein Müll rum, es gibt keine Ölflecken, hier wird penibel genau gearbeitet. Der Meister tut selbst nicht viel, schaut und prüft nur und gibt Anweisungen an mehrere Burschen, die nur genau das tun, was er sagt und nicht eigenmächtig irgendwo rumschrauben. Jeder hat ein Zetterl, auf dem er vom Meister die Zeit, die er gearbeitet hat, bestätigt kriegt. Ich bekomme alles genau gezeigt: Hier hat ein Lager zu viel Spiel, dieser Gummi ist abgenützt, daher kommt das Geräusch, das ich bemerkt habe, hier stellen wir gleich die Lenkung ein, hier ist genug Öl drin, da fehlt Fett, die vorderen Stoßdämpfer lecken usw. Ich werde über den Preis jeden Ersatzteiles informiert und während wir auf die Teile warten, führt mich der Meister noch im Betrieb rum. Es gibt noch weitere Hallen, wo die gröberen Sachen erledigt werden, Schweißen und so. Dann krieg ich noch das Ausbildungszentrum gezeigt, in dem ganze Räume von Anschauungs- und Unterrichtsmaterial strotzen und wo ich mir denke, ob unsere Mechanikerlehrlinge auch alles so anschaulich erklärt kriegen? Nun werden die paar Gummi getauscht, die Lenkung adjustiert, der Luftfilter gewechselt. Schließlich krieg ich noch eine kostenlose maschinelle Autowäsche angeboten und den Wassertank aufgefüllt. OME-Stoßdämpfer haben sie natürlich nicht hier und Reifen in meiner Dimension auch nicht. Alles in allem eineinhalb Stunden Arbeit. Auf die Rechnung warte ich dann 40 Minuten, sie macht ca. 752 Birr (56 Euro) aus, davon ca 190 Birr (14 Euro) für Arbeitsleistung. Nach Bezahlung der Rechnung kriegt man noch einen Passierschein, damit man vom Portier wieder rausgelassen wird. Nun ist der Nachmittag schon deutlich fortgeschritten und wir fahren in ein Internetcafe, wo wir erleichtert feststellen, dass unser Flug bestätigt ist. Wir tanken noch voll (Diesel in Äthiopien 5,44 Birr, 0,40 Euro) und stärken uns in einem Restaurant. Km 22/11.131.

Mittwoch, 9. Jänner 8, Tag 48, Abschied 

Am Vormittag versuchen wir, zwei Reifen zu kaufen, weil die schon sehr hinüber sind, aber erwartungsgemäß haben sie nirgends unsere Dimension. Wir werden halt, wenn wir wieder kommen, etwas kleinere kaufen müssen. Anschließend ist Großreinigung angesagt und natürlich packen wir schon unsere Rückflugtaschen. Um 5 sollen wir das Auto zum Einstellplatz bringen, doch wir verspäten uns um über eine halbe Stunde, weil wir den Abendverkehr unterschätzt haben. Macht nichts, man hat Nachsicht. Wir nehmen Abschied von unserem Landcruiser und dann geht's mit dem Taxi zum Flughafen, wo wir noch zu Abend essen. In der Abflughalle sind ausgesprochen viele Leute, da jeder abfliegende Äthiopier von zehn, zwanzig oder gar noch mehr Familienmitgliedern begleitet und verabschiedet wird. Pünktlich um 22.15 fliegen wir mit Ethiopian Airlines nach Bahrain. Der Bordservice ist beachtlich, da könnt sich so manche Linie ein Scheibchen abschneiden. km 36/11.167.

Donnerstag, 10. Jänner 8, Tag 49, Rückflug

Die angekündigte Zwischenlandung in Abu Dhabi findet nicht statt, wir landen in Manama in Bahrain. Hier haben wir knapp zwei Stunden Aufenthalt bis wir mit einem fast leeren luxuriösen (TV, Radio, Internet, Telefon, Gameboy etc. an jedem Platz) Airbus der Emirates Airlines nach Dubai fliegen. Hier müssen wir knapp drei Stunden warten, bis es dann nach Wien weitergeht. in einem gleich luxuriösen Airbus geht es mit einer Stunde Verspätung nach Wien. Wir kriegen Frühstück und ein Mittagessen, wie wir es an Bord eines Flugzeuges noch nie gesehen, geschweige gegessen haben: Wie in einem Haubenlokal, nur so viel, dass man's kaum aufessen kann. km 0/11.167.

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Postskriptum:

Eine Anmerkung ist mir wichtig: Sollte mein Tagebuch den Eindruck erwecken, dass Schwierigkeiten und Probleme die Reise zu einem Misserfolg werden ließen, so möchte ich dem hier ganz klar widersprechen. Wenn wir nun die Reise Revue passieren lassen, so überwiegen die positiven Eindrücke bei weitem und lassen manch Negatives schnell vergessen. Wenn ich jeden Abend über den zu Ende gehenden Tag schreibe, so fallen mir naturgemäß die unplanmäßigen, die außergewöhnlichen, die besonderen Dinge ein. Wenn ich Adjektive wie "unspektakulär" gebrauche, bedeutet das keinesfalls "unschön". Es kann aber nicht jeder Tag eine Steigerung des vorigen sein! Leicht vergesse ich daher, über etwas zu schreiben, weil es eben für uns Afrikagewöhnte, oder soll ich schreiben: Afrikaverwöhnte? eben nicht mehr erwähnenswert ist. Daher summa summarum: Es war sehr schön. Und: Fortsetzung folgt!

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