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Der Wilde Westen

Samstag, 24. November, Tag 12: America's Loneliest Road

Diesmal ist unser Reisebericht ein wenig trocken, ja sogar emotionslos ausgefallen, wir lassen Hintergrundinformationen vermissen, so lauten erste Feed-backs, die wir gestern und heute erhalten haben. Danke für die Kritik! Ich gelobe Besserung. Zufälliger Weise ergibt sich auch gleich die Gelegenheit dazu. Ich schildere unsere heutigen Erfahrungen mit dem US-amerikanischen Gesundheitssystem: Es beginnt damit, dass Susi in der Früh die Augen nicht aufbringt. Nein, hat nicht gesoffen gestern, auch kein Schlaganfall oder eine Muskellähmung. Die Augen sind einfach unappetitlich gelb-grün verklebt. Sie hat eine eitrige Bindehautentzündung. Außerdem hat sie eine verstopfte Nase. Wir sind zwar in einer der einsamsten Gegenden der USA (vielleicht von mitten in Alaska abgesehen), aber es liegt ohnehin Ely auf dem Weg. Da es an der Kreuzung zweier Highways liegt, sollte es eigentlich ein wenig größer sein als die letzten beiden Dörfer, die wir gestern vor 70 und 130 Meilen passiert haben, die bestanden im wesentlichen nur aus einer Tankstelle. Ely ist echt erstaunlich groß, eine richtige Stadt mit mehreren Tankstellen, McDonalds, Burger King, Motels u.s.w. Und einem Supermarkt mit Apotheke. Ich da rein und verlange antibiotische Augentropfen und abschwellende Nasentropfen. Letztere sind ausgegangen, gibt's Montag wieder und wegen der Augentropfen: Gibt's nur auf Rezept. Von einem Arzt mit Zulassung in den USA. Heute am Samstag haben natürlich die Ärzte im Ort geschlossen. Wochenend-Bereitschaftsdienst? Noch nie gehört. Man könnte ins Spital fahren. Das tun wir auch. Nach zweimal Fragen landen wir im Emergency-Room oder zumindest fast. Zuerst müssen im Vorraum die Daten aufgenommen werden. Wir haben Glück, es sind keine anderen Patienten da und die Sekretärin hat sofort Zeit für uns. Dennoch braucht gut Ding viel Weile, denn alles muss buchstabiert werden und außerdem kennt der Computer Austria nicht. Nicht doch vielleicht Australia? Susi kriegt nun ein Armband mit Namen und viel Strichcode drauf angelegt und wir werden einer chic in rot gekleideten Schwester mit umgehängtem Stethoskop übergeben, die uns in den Emergency-Room bringt, Susis Körpertemperatur, Blutdruck und Puls (mit einer Einmal-Blutdruckmanschette!) und Sauerstoff-Sättigung misst, Herz und Lungen abhört und eine ausführliche Eigen- und Familienanamnese erhebt. Nein, keine Tuberkulose, ja, Blinddarm ist raus, nein, keine Schmerzen beim Pinkeln, nein, keine Selbstmordgedanken. Sehr hilfreich erweist sich das iPhone-App für Piloten, mit dem ich Susis Körpergewicht in Pound und die Körpergröße in Inches umrechne. Die Schwester ist begeistert. Der Arzt, den sie nun holt, ist schon älteren Datums, dürfte in den 60er-Jahren promoviert haben. Er macht seinerseits eine Anamnese, kann aber nur mit wenigen neuen Fragen auftrumpfen: Wie lange verheiratet? Geisteskrankheiten in der Familie? Der Doc schaut Susi in Augen, Mund und Ohren und hört sie nochmals ab, im Gegensatz zur Schwester aber durch Leiberl und Weste hindurch. Dann stellt er die Diagnose einer Bindehautentzündung und kündigt ein Rezept für antibiotische Augentropfen und abschwellende Nasentropfen an. Wir mögen doch bitte kurz warten. Als ich nach 20 Minuten bei der Schwester nach der Toilette frage, spielt sie grad auf ihrem Handy und der Doc tippt mit zwei Fingern am Computer herum. Kurz bevor unsere Nerven beginnen, sich unwohl zu fühlen, kommt der Doc und überreicht das Rezept. Drauf stehen abschwellende Nasentropfen und ein Antibiotikum zum Einnehmen, er meint, das wäre gescheiter. Ein kurzer Blick auf die Uhr lässt uns entscheiden, nicht zu diskutieren, sondern das Rezept einschließlich einer mehrseitigen Anleitung, wie die Medikamente anzuwenden sind, mit Dank anzunehmen und das Weite zu suchen. Doch so einfach geht das nicht, denn an der Sekretärin kommen wir nur nach Begleichung der Rechnung in Höhe von gut 300 Dollar vorbei. Nach zweieinhalb Stunden verlassen wir das Krankenhaus. Susi nimmt also jetzt wegen einer Bindehautentzündung ein Antibiotikum ein, eine bei uns sehr unübliche Therapie.

Wir fahren nun auf dem US-Highway 50 "The Loneliest Road in America" Richtung Westen quer durch die Wüste Nevadas. Die Straße wird durchaus ihrem Namen gerecht: Etwa alle zehn bis fünfzehn Meilen kommt uns ein Auto entgegen, alle 70 bis 100 Meilen passieren wir ein Kaff. Nur die Wüste enttäuscht uns völlig. Wie auch schon gestern fahren wir durch riesige Ebenen, die im Süd-Nord-Verlauf endlos scheinen, in Ost-West-Richtung ca. alle 20 bis 30 Meilen von einem quer verlaufenden Gebirge unterbrochen werden. Außer der Straße und einem Zaun zu beiden Seiten gibt es eigentlich nichts, keine Häuser, keine Bäume. Und alles völlig flach. Und dennoch keine Wüste. Denn alles ist bedeckt von einem dichten waden- bis kniehohen Gras- und Buschbewuchs. Am Nachmittag machen wir eine längere Pause und sitzen auf unseren Klappstühlen bei einem Kaffee genüsslich in der Sonne. Mi 257/1.596.

Sonntag, 25. November, Tag 13: Reno, Virginia City, Lake Tahoe

Weiter geht es auf der einsamsten Straße Amerikas. Auf den nächsten 150 Meilen - soweit reicht unser Sprit noch -  sind auf der Karte nur drei Orte eingezeichnet: Cold Springs, hier gibt es nur ein Motel, Middle Gate ist eine Raststätte, die Gas-Food-Ice bietet und erst Fallon ist eine richtige Stadt mit allem Drum und Dran. Vor Fallon gibt es dann auch ein Stück echte Wüste, also Landschaft ohne Bewuchs. Sogar eine Sanddüne haben sie hier. Ist zwar nur eine, dafür riesengroß. Am Fuße der Düne campieren massenhaft Motorsportler, die mit Moto-Cross-Maschinen und Quads die Düne rauf und runter fahren. Der Lärm ist unglaublich. Bald ist es dann aus mit der Einsamkeit auf dem Highway, Reno naht. Wir machen eine Stadtrundfahrt. Auch hier gibt es massenhaft Casinos, doch nicht in der Giganz von Las Vegas. Unser nächstes Ziel ist Virginia City, bekannt aus verschiedenen Western, vor allem aus der Serie "Bonanza". Hier, scheint es, sind die Uhren seit 150 Jahren stehen geblieben, zumindest was die Gebäude im Stadtzentrum betrifft. Natürlich sind vor den Shops und Saloons nicht Pferde angebunden, sondern Autos geparkt, aber man hat sofort das Gefühl, in eine andere Zeit versetzt zu sein. Die Häuser an der Hauptstraße sind restauriert oder originalgetreu wieder aufgebaut, der Gehsteig besteht aus Holzbrettern. Und immer wieder laufen Leute herum, die einem Western entsprungen zu sein scheinen und die so tun, als würden sie gar nicht bemerken, dass sie sich in der falschen Zeit befinden. Sind das vom Tourismusverband bezahlte Schauspieler? Erst in einem Saloon, in dem eine Band Live-Musik spielt und elegante Herren mit breitkrempigen Hüten und Revolvergürtel unter dem Mantel mit chicen Damen tanzen, wird uns klar, dass es sich um Country- und Westernfans aus Reno oder anderswo handelt, die hierher fahren, um einen Tag in "ihrer" Zeit zu verbringen. Wir sind begeistert von der Stadt und vor allem von ihren Fans. Durch Carson City, der unscheinbaren Hauptstadt Nevadas, geht es weiter auf dem nun gar nicht mehr einsamen Highway 50 an den Lake Tahoe, an dessen Ufer sich eine Luxusvilla an die andere reiht. In den umgebenden Wäldern befinden sich hunterte chice Wochenendhäuser und entlang der Straße eine kaum enden wollende Konsummeile mit Lokalen, Shops und bis zur Grenze zu California auch Casinos. In einer endlosen Kolonne - der Wochenendrückreiseverkehr nach Sacramento ist voll im Gange - fahren wir die Siera Nevada in unzähligen Kurven hinunter und erst als es wieder halbwegs eben ist, finden wir einen Nachtplatz etwas abseits. Mi 267/1.863. 

Montag, 26. November, Tag 14: Sacramento, San Francisco

Susi wacht wieder mit verklebten und nun auch brennenden Augen auf. Es ist klar, dass sie nun rasch eine anständige Behandlung braucht. Die nächst Stadt ist Placerville. Hier versuche ich's mal wieder in einer Apotheke. Wahrscheinlich liegt's daran, dass diesmal der Herr Magister persönlich anwesend ist, vielleicht auch am vorgelegten Rot-Kreuz-Ausweis, dass ich antibiotische Augentropfen kriege. Auf der Weiterfahrt geht es immer wieder stufenweise bergab, und auch wenn wir gestern schon mehr als 1.500 Höhenmeter aus der Siera Nevada herabgefahren sind, folgt jedem Plateau wieder ein neuer Abstieg. Mit 40 Metern über dem Meeresspiegel ist dann Schluss, ist die Ebene erreicht, in der Sacramento liegt. Die Stadt selbst, die wir auf sechsspuriger Autobahn erreichen, liegt vier (!) Meter über Meeresniveau, obwohl sie zirka 100 Kilometer vom Meer entfernt ist. Der Sacramento River hat hier praktisch kein Gefälle mehr. Sacramento, die Hauptstadt Kaliforniens, gefällt uns sehr, besonders die Altstadt, in der zahlreiche Gebäude aus der Goldgräberzeit erhalten sind bzw. restauriert wurden. Auf dem Bahnhof des Railroad Museums steht ein alter Zug der Southern Pacific Rail, unweit auf dem Sacramento River hat ein alter Raddampfer angelegt, der als Ausflugsschiff seinen Dienst versieht. Nach den kalten Tagen im Hochland des Great Basins empfinden wir die Temperatur hier sehr mild. Hier haben sich eben die Blätter der Bäume gefärbt. Auf Orangenbäumen vor dem Kapitol hängen fast reife Früchte. Da wir bei unserem Besuch San Franciscos neulich eine Fahrt über die Golden Gate Bridge ausgelassen haben, wollen wir heute tun, wovon unser Reiseführer abrät: Uns mit einem Wohnmobil in den Verkehr des Stadtzentrums stürzen. Wir tun das nicht aus Unvernunft, sondern weil wir gesehen haben, dass die Stadt ganz bestimmt eines nicht hat: ein Verkehrsproblem. Es ist eigentlich immer relativ wenig Verkehr, es ist überall reichlich Platz und es gibt keine Staus. Wir fahren im Norden um die San Francisco-Bay und kommen über die Golden Gate Bridge neuerlich nach San Francisco. Leider ist das Wetter heute nicht so schön wie bei unserem ersten Besuch. Wir queren das Stadtzentrum über den Nob Hill und fahren auf der zweistöckigen Bay Bridge nach Treasure Island (wo wir einen Hot Dog essen) und wieder zurück. Auf dem Highway Nr. 1 beginnen wir nun die Fahrt der Pazifikküste entlang nach Süden. Mi 216/2.079. 

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