Island: Der Mittlere Norden
Mittwoch, 21. Juli 21, Tag 21/642: Blönduós
In mehreren Fjorden liegen massenhaft Baumstämme am Strand, vielfach schon in Stapeln gesammelt. Offenbar ist ein Schiff mit einer großen Ladung Holz gesunken. Als wir wieder die Ringstraße erreichen, fällt uns sofort der "viele" Verkehr auf (noch immer sehr wenig im Vergleich mit heimischen Hauptstraßen). In den Westfjorden waren ja sehr wenige Fahrzeuge unterwegs. Wir sehen uns die Schlucht Kolugjúfur mit dazugehörigem Wasserfall an und statten dem bekannten Trollfelsen Hvítserkur einen Besuch ab, der vor der Küste der Halbinsel Vatnsnes im Meer liegt, aber für uns weniger einem Troll ähnlich sieht, sondern eher einem Tier, das im Wasser steht und trinkt. Wir übernachten auf dem Campingplatz in Blönduós. Man muss über eine App bezahlen, was aber auch nach mehreren Versuchen nicht funktioniert. Eine Rezeption oder Personal gibt es nicht, weshalb ich einen Neuankömmling bitte, für uns mit seiner Kreditkarte zu bezahlen und ich gebe ihm das Geld in bar. Später hören wir, dass dieses Problem auch andere betrifft, die mit ausländischen Karten bezahlen wollen. Km 360/3.022/4.954/140.601.
Donnerstag, 22. Juli 21, Tag 22/643: Akureyri
Wir sehen uns das wirklich tolle Museum in Glaumbær an, das ein in Torfbauweise errichtetes Bauernhaus aus dem 19. Jahrhundert sowie ein Wohnhaus und ein Kaffeehaus aus den 1950er-Jahren zeigt, alles mit viel Interieur (darunter Schlittschuhe aus Pferdeknochen!) und das gemütliche Café in Betrieb. In Hólar befindet sich die älteste Steinkirche Islands, ein freistehender Turm wurde erst 1950 errichtet. In der Kirche befindet sich ein Taufbecken, das aus einem Speckstein gefertigt wurde, der auf einer Eisscholle aus Grönland angeschwemmt wurde. Als wir aus der Kirche kommen, riecht es nach Bierbrauerei. Der Geruch scheint aus einem Häuschen zu kommen, das sich als die kleinste Brauerei Islands entpuppt. Der Braumeister freut sich über mein Interesse und belohnt es mit einer Kostprobe. Auf der Ringstraße fahren wir durch Öxnadalur, ein dreißig Kilometer langes Tal mit Blick auf steile Bergrücken und schlanke Felsnadeln. Wo sich das Tal öffnet, erreichen wir den Eyjafjord, an dessen Ende Islands zweitgrößte Stadt, Akureyri, liegt. Wahrzeichen ist eine moderne, schmucklose Kirche. Es sind viele Menschen unterwegs, Gastgärten sind in Betrieb, das Freibad ist voll. Wir sehen uns den nördlichsten botanischen Garten der Welt an, klein aber sehr fein! Erstaunlich, was hier alles wächst und blüht, sind wir doch nicht einmal hundert Kilometer vom Polarkreis entfernt. Wir übernachten auf dem Parkplatz des Schiliftes mit herrlichem Blick auf Akureyri und den Fjord. Da wird kein Mensch sein, dachten wir. Doch weit gefehlt: Der Sessellift ist bis spät in die Nacht in Betrieb und bringt Mountainbiker auf den Berg. Km 250/3.272/5.204/140.851.
Freitag, 23. Juli 21, Tag 23/644: Wasserfälle des Skjálfandafljót
Wir stehen spät auf, weil wir noch Einkäufe tätigen müssen und die meisten Geschäfte erst um zehn öffnen. Wir setzen unsere Fahrt auf der Ringstraße bis zum Goðafoss fort, wo sich vor den Augen von hundert Touristen das Wasser des Skjálfandafljót auf einer Breite von 160 Metern ein paar Stockwerke tief hinunterwirft. Von hier kann man auf einer guten Piste eine Stunde flussaufwärts fahren und erreicht zwei weitere eindrucksvolle Wasserfälle, Aldeyjarfoss und Hrafnabjargafoss, wo kaum Leute anzutreffen sind. Wir erreichen noch den Mývatn, einen bekannten großen See. In eineinhalb Stunden besteige ich den Vindbelgjarfall, einen markanten Kegelberg daneben. Vom Gipfel bietet sich ein toller Blick auf den See, aber leider stürmt es so stark, dass ich mich kaum auf den Beinen halten kann. Beim Abstieg lösen sich meine schon älteren und mehrfach reparierten Sportschuhe auf, die mich auf allen Kontinenten treu begleitet haben. Das schmerzt wie Freunde zu verlieren, denn die Schuhe sind mir in all den Jahren nicht nur an die Füße, sondern auch ans Herz gewachsen. Wir campieren ein paar Kilometer nördlich des Myvatn auf einem Parkplatz auf einer kleinen Anhöhe abseits der Straße mit herrlichem Blick über die Ebene unter uns und schneebedeckte Berge. Auch drei weitere Camper haben diesen schönen Platz entdeckt. Km 202/3.474/5.406/141.053.
Samstag, 24. Juli 21, Tag 24/645: Mývatn
Heute widmen wir uns den Sehenswürdigkeiten um den Mývatn: Wir beobachten Wasservögel, spazieren durch die Skútustaðagígar-Pseudokrater und sehen uns die Lavaformationen von Dimmuborgir an. Leider fällt die Bergtour auf den Vulkankrater Hverfjall ins Wasser, aber nicht in dem Sinn, dass sie ausfällt, sondern dass es plötzlich wie irr regnet. Als ich die Caldera mit einem Kilometer Durchmesser und somit gut drei Kilometern Umfang erreiche, nieselt es erst nur, also beginne ich die Umrundung. Als es dann stürmt und schließlich sogar Eis regnet, habe ich etwa die Hälfte, weshalb Umkehren keine Option mehr ist. Als ich bei Susi und dem Zerberus zurück bin, ist das Unwetter fast vorüber und eine halbe Stunde später, als wir uns die Grotte Grjótagjá mit blauem See ansehen, scheint schon wieder die Sonne. Wir wandern nun noch durch das ockerbraune Geothermalfeld Hverir, wo es aus allen Löchern dampft und pfufferlt, und bestaunen das Blau des Kratersees Viti. Auf dem Weg dahin halten wir an einer Dusche, die neben der Straße einfach so im Freien steht. Das Thermalwasser ist körperwarm. Am Abend mache ich noch eine Wanderung durch das spektakuläre riesige Lavafeld Leirhnjúkur. Wir übernachten nochmals auf dem tollen Nachtplatz von gestern, heute sind wir alleine hier. Km 90/3.564/5.496/141.143.
Sonntag, 25. Juli 21, Tag 25/646: Askja
Unser heutiges Ziel ist die Askja, ein großer Vulkankrater im zentralen Hochland. 35 Kilometer östlich des Mývatn biegen wir von der Ringstraße in die Piste F88 (F bedeutet, dass die Strecke nur mit Allradfahrzeugen befahren werden darf) ein. Von hier sind es hundert Kilometer bis zur Askja. Doch die Piste hat derart übles Wellblech, dass wir nach einer dreiviertel Stunde ist gleich zehn Kilometern aufgeben und umkehren. Das können wir dem Zerberus und wollen wir uns nicht zumuten! 30 Kilometer weiter östlich auf der Ringstraße zweigt eine weitere Zufahrt zur Askja ab und ohne viel Hoffnung, dass diese viel besser ist, versuchen wir hier nochmals unser Glück. Die F905 ist zunächst nicht so schlecht, weist später aber auch immer wieder Wellblech auf. Zwischendurch gibt es wieder ganz passable Abschnitte, doch dann ist es felsig und es geht so langsam, dass uns sogar zwei Radfahrer überholen. Aber die Landschaft ist grandios: Lavawüste, wie sie auch in Afrika sein könnte, wären nicht die schneebedeckten Berge in der Ferne. Nach hundert Kilometern und mehreren Flussdurchfahrten kommen wir am späten Nachmittag in Dreki, dem "Ort" an der Askja an. Es sind eigentlich nur ein paar Hütten mit einfachsten Unterkünften, einem Stützpunkt für die Ranger und einem für das Search and Rescue Team. Ja und campieren darf man hier und zwar nur hier und gegen reichlich Gebühr, dafür bezahlt man für den Nationalpark, in dem wir uns befinden, keinen Eintritt. Da es ja ewig hell ist und wir uns nach der langen Fahrt ohnehin die Beine vertreten müssen, fahren wir noch die acht Kilometer zum Rand der Askja und machen eine Besichtigung. Heute konnten wir beobachten, wie die Temperatur kontinuierlich von 18 Grad am Mývatn auf 8 in Dreki und schließlich auf 5 an der Askja auf 1.000 Metern Höhe gesunken ist. Es ist also ziemlich kalt. Vom Parkplatz geht es ein kurzes Stück leicht bergauf bis zur Caldera, die übrigens einen Durchmesser von acht Kilometern aufweist. Der Vulkanboden ist eben und unspektakulär von Lavagestein und Schnee bedeckt. Den Öskjuvatn, den See, der einen großen Teil des Kraters einnimmt, können wir noch nicht sehen. Zu seinem Ufer sind es zwei Kilometer, im Laufe derer der Wind, der uns entgegenweht, sich bis zum Orkan steigert, der uns Vulkanasche, Sand, ja sogar Steine entgegenbläst, die in den Augen und im Gesicht schmerzen. Mehrmals müssen wir Schneefelder überqueren. Unmittelbar vor dem Öskjuvatn befindet sich ein steilwandiger kleiner Krater im Krater, darin der milchige See Viti, der ganzjährig 20 Grad aufweist und in dem man baden könnte. Um in diesen zu blicken, muss man auf eine kleine Anhöhe gehen. Doch gerade hier ist der Sturm so gewaltig, dass wir nur mit größter Mühe vorankommen. Susi kann sich kaum mehr auf den Beinen halten, wird beinahe vom Orkan umgerissen. Wir werfen einen kurzen Blick in den See, machen zwei Fotos und treten nach zehn oder zwanzig Sekunden den Rückweg an. Ziemlich ausgefroren kommen wir zum Zerberus zurück. In der Nacht ist es weiterhin stürmisch, der ganze Wagen wird hin und her gebeutelt. Als eine Dachhaube laut klappert, und wir Angst haben, dass der Sturm sie holt, drehe ich den Zerberus in den Wind, was aber nichts hilft, weil, wie wir an aufwirbelnder Vulkanasche sehen, sich die Windrichtung ständig ändert. Km 205/3.769/5.701/141.348.